Zellstrukturen und Bionano-Maschinen bauen

Um biologische Systeme oder Zellen von Grund auf zu konstruieren, benötigen Bioingenieure die passenden Bausteine wie Zellhüllen und dreidimensionale Reaktionsräume und statten diese mit fundamentalen Komponenten der Zellmaschinerie aus.

In Analogie zur Computertechnik geht es darum, die „Hardware“ der Zelle zu fertigen. Bioingenieure, die in diesem Feld arbeiten, können dem Bottom-up-Ansatz der Synthetischen Biologie zugeordnet werden (zu Strategien). Um Molekülstrukturen und somit die 3D-Architektur der Zelle von Grund auf neu zu gestalten – mit dem langfristigen Ziel einer künstlichen Zelle – ist insbesondere die Expertise von Chemikern, Physikern und Materialforschern gefragt. Für den strukturellen Aufbau biologischer Systeme machen sich die Wissenschaftler die Phänomene der Selbstorganisation und Selbstmontage (Self-Assembly) von Biomolekülen zunutze: von selbst lagern sich solche Moleküle wie Lego-Bausteine schrittweise zu geordneten, hochmolekularen Strukturen zusammen. Das versuchen Forscher der Synthetischen Biologie im Labor nachzustellen.

Membranhüllen und Kompartimente

Eine Schlüsselkomponente von Zellen sind Kompartimente. Durch eine Membranhülle begrenzt formen sie die biochemischen Reaktionsräume lebender Systeme. Membranen kapseln den Organismus ab, sie sind undurchlässig für die meisten Stoffe und tragen Komponenten, die eine Kommunikation mit der Außenwelt ermöglichen. Biologische Membranen sind meist aus sogenannten amphiphilen Molekülen aufgebaut: die Bausteine besitzen eine wasserliebende (hydrophile) und eine wasserabweisende (hydrophobe) Seite. Daraus ergibt sich bei allen Lebewesen ein einheitlicher Membran-Grundaufbau aus einer Phospholipid-Doppelschicht. Im Labor lassen sich solche Membranstrukturen mithilfe von Fettsäuren oder Lipiden nachbauen. So bilden sich einfache Membranbläschen, die Vesikel, aus.

Wissenschaftler, die sich der biomimetischen Chemie verschrieben haben, fahnden nach künstlichen Molekülbausteinen, die sich ähnlich wie die natürlichen Lipide verhalten und sich selbstständig zu Kompartimenten zusammenlagern. Das können Nanopartikel sein, die in sogenannten Emulsionen Wasser-in-Öl-Tröpfchen stabilisieren. Andere Materialforscher setzen wiederum auf maßgeschneiderte Polymere, die sich zu dreidimensionalen Polymerosomen zusammenlagern. Der Vorteil: Solche synthetischen Membranen können noch mit Zusatzfunktionen ausgerüstet werden, wie unter anderm Stephen Mann von der University of Bristol (Großbritannien) aufzeigen konnte (Mann, Angewandte Chemie 2013).

Die Membranforscher profitieren auch von neuesten Entwicklungen der Mikrosystemtechnik: in mikrofluidischen Systemen werden winzige Tröpfchen im Akkord und mit immer gleichen Eigenschaften hergestellt und durch Mikrokanäle geführt. Wie am Fließband können die Tröpfchen hier auch systematisch modifiziert, gefüllt und vermessen werden.  

Selbstorganisationsprozesse in der Zellteilung

Forscher, die sich mit Membranen beschäftigen, haben zudem die Zellteilung im Visier. Denn ein wesentliches Element von lebenden Systemen ist ihre Fähigkeit, sich zu replizieren, also baugleiche Nachkommen zu erzeugen. Daran sind auch die Membranen beteiligt: wächst die Zelle, sorgt die Zellteilungsmaschinerie dafür, sie physikalisch in Tochterzellen zu trennen. Biophysiker versuchen, fundamentale Abläufe und Muster der Zellteilung zu verstehen. Dazu enträtseln sie die Schritte, die nötig sind, um diesen Prozess in Gang zu setzen. So gelang es dem Team von Petra Schwille vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, einzelne Komponenten, die an der Zellteilung beteiligt sind, in einem Minimalsystem zu rekonstituieren (Vogel; eLife 2013).

Bionanotechnologie und DNA-Origami

Wichtige Komponenten für die Synthetische Biologie kann auch die DNA-Nanotechnologie bereitstellen. Denn die DNA ist ein faszinierendes Baumaterial für Zellstrukturen: Basierend auf dem Phänomen der Basenpaarung lassen sich DNA-Moleküle programmieren, dass sie mit anderen DNA-Abschnitten wechselwirken. So lassen sich molekulare Nanostrukturen konstruieren. In den vergangenen Jahren hat dabei die Technik des DNA-Origami für Furore gesorgt. Programmiert man die DNA entsprechend, so faltet sie sich per Selbstmontage zu dreidimensionalen Nano-Bauteilen und Nano-Maschinen auf. Biophysiker um Hendrik Dietz von der Technischen Universität München haben so bereits Ziegelsteine, Zahnräder oder Roboter mit beweglichen Armen hergestellt (Wagenbauer; Science 2015). Die Forscher um Dietz haben auch synthetische Nanoporen hergestellt, die sich in Lipidmembranen einlagern und diese durchziehen können (Langecker; Science 2012).

Zellfreie Biosynthese-Maschinerie

Die synthetischen Reaktionsräume müssen in einem weiteren Schritt mit Leben gefüllt werden. Dazu ist es wichtig, die essentiellen Bestandteile des Stoffwechsels und die Proteinsynthese-Maschinerie hinzuzufügen. Forscher stützen sich dabei unter anderem auf zellfreie Biosynthese-Systeme, die ohne natürliche Zellen auskommen. Die Komponenten dafür werden derzeit meist aus dem Zellsaft von Organismen gewonnen, den sogenannten Lysaten. Diese Lysate enthalten bereits die Proteinbiofabriken, die Ribosomen. Sie müssen jedoch kontinuierlich mit Einzelbausteinen (z.B. Aminosäuren), mit energieliefernden Stoffen (z.B. ATP) und Co-Faktoren versorgt werden. Zellfreie Biosynthese-Systeme gelten als Zukunftskonzept für die industrielle Produktion von Proteinen. Löst man sich vom komplexen System Zelle und konzentriert sich nur auf die relevanten Syntheseschritte, können einzelne Proteine leichter im industriellen Maßstab hergestellt werden. Zellfreie Systeme sind auch geeignet, um Designer-Proteine aus nicht-natürlichen Aminosäuren herzustellen, die für Organismen oft giftig sind (zu Biomoleküle chemisch verändern).

Ob Membranen, DNA-Nanoporen oder zellfreie Biosynthese-Systeme: Sie markieren jeweils bedeutende Teilstrukturen, die wichtig sind, um synthetische Zellen zu konstruieren und diese Gebilde tatsächlich zum Laufen zu bringen.

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