Treibstoffe aus der Zellfabrik

Ob Biosprit aus Algen, Stroh oder Bakterien – Forscher der Synthetischen Biologie legen die Basis für die Herstellung einer neuen Generation von Biokraftstoffen.

Die Idee der biobasierten Treibstoffe ist nicht neu: Schon seit den 1970er-Jahren gibt es Fahrzeuge, die mit Biodiesel aus Raps sowie Bioethanol aus Mais oder Zuckerrohr angetrieben werden können. Dieser Biokraftstoff der ersten Generation bietet im Gegensatz zu erdölbasierten Kraftstoffen bereits erste Vorteile: Das bei der Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid wird von den Raps- oder Maispflanzen der nächsten Saison wieder gebunden. Gleichwohl ist die Klimabilanz nicht gut, manchmal sogar schlechter als diejenige von Treibstoffen aus fossilen Quellen, wenn der beim Anbau selbst verbrauchte Kraftstoff, der Verlust von Wäldern sowie die Transportkosten der Ernte mit einberechnet werden.

Kritisiert wird zudem die Tatsache, dass der Biosprit aus öl-, stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzenteilen gewonnen wird – also solchen Bestandteilen, die auch als Lebensmittel dienen können. Vor diesem Hintergrund tüfteln Bioingenieure intensiv an Biotreibstoffen der zweiten und dritten Generation: Sie erschließen neue biobasierte Rohstoffquellen und tragen auf diese Weise dazu bei, die Konkurrenzsituation zwischen der Produktion von Bioenergie und Lebensmitteln zu entschärfen.

Mit Designer-Enzymen vom Stroh zum Bioethanol

Biotreibstoffe der zweiten Generation sollen aus cellulosehaltigen Bestandteilen von Pflanzen wie Stängeln und Blättern entstehen. So können statt der Früchte auch Reststoffe und verholzte Pflanzenteile wie Stroh als Ausgangsbiomasse für Treibstoffe dienen. Die Verwertung der hierin enthaltenen Fasern aus langkettigen Zuckermolekülen wie etwa aus Cellulose und Hemicellulose und deren Umwandlung zu Bioethanol ist jedoch ein hochkomplexer Prozess. Um ihn zu bewältigen, haben Bioingenieure in den vergangenen Jahren Designer-Enzyme entwickelt und Mikroorganismen darauf getrimmt, diese Biokatalysatoren in großen Mengen herzustellen (zu Zellen programmieren). Mithilfe der Enzyme wird die Cellulose im Stroh in einen Mix kleinerer Zuckermoleküle zerlegt. Hefen vergären diese Zucker in einem folgenden Schritt in den Alkohol Ethanol.

Auf ein solches Verfahren setzt zum Beispiel der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Im bayerischen Straubing betreibt das Unternehmen seit 2012 eine Demonstrationsanlage, die jährlich rund 4.500 Tonnen Weizenstroh in 1.000 Tonnen Ethanol umgewandelt. Zusammen mit dem Autohersteller Mercedes-Benz und dem Mineralölunternehmen Haltermann wird derzeit der Einsatz des Sprits für den Markt vorbereitet. Seit 2014 beweist sich ein Gemisch aus 20 Prozent Cellulose-Ethanol und 80 Prozent Superbenzin in einem Flottentest für den alltäglichen Einsatz in Serienfahrzeugen.

Andere Firmen vertreiben Cellulose-Ethanol bereits am Markt. Die derzeit größte kommerzielle Anlage steht in Iowa (USA). Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt des holländischen Chemieunternehmens und Biotechnologiespezialisten DSM und des US-Ethanolherstellers POET. Im Herbst 2014 fand die offizielle Eröffnung statt. Inzwischen werden hier jeden Tag 770 Tonnen Biomasse verwertet. Die Jahresproduktion der Anlage beträgt bis zu 25 Millionen Gallonen (ca. 95 Mio. Liter) Bioethanol pro Jahr.

Energiereichere Verbindungen im Visier

Ethanol ist ein etablierter Treibstoff, bei der biotechnischen Produktion hat er aber einen Makel: Ethanol ist wasserlöslich. Wird er von Hefen hergestellt, landet er im Gärkessel in der Nährlösung und muss unter energetischem Aufwand destilliert werden. Forscher in der Synthetischen Biologie wollen Mikroben nun dazu bringen, langkettigere Alkohole herzustellen, die nicht wasserlöslich sind und sich einfach abtrennen lassen. Zu solchen Verbindungen zählen Butanol, Propanol oder Hexanol. Sie sind bezogen auf ihre Masse zudem energiereicher als Ethanol und ergäben so leistungsfähigere Kraftstoffe. Im Labormaßstab sind Mikroorganismen bereits erfolgreich mit entsprechenden Stoffwechselwegen ausgestattet worden.

Gasförmiger Treibstoff aus der Zellfabrik

Andere Firmen verfolgen wiederum den Ansatz, aus Zellfabriken kurzkettige Kohlenwasserstoffe wie Isobuten zu gewinnen, die gasförmig sind und sich nicht Wasser lösen. Auch dieser Weg würde eine Destillation vermeiden und die effiziente Herstellung von Biokraftstoffen ermöglichen. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist zum Beispiel das französische Unternehmen Global Energies. Mit Methoden der Synthetischen Biologie wurden E.coli-Bakterien mit komplett neuen Stoffwechselwegen ausgestattet, um Isobuten herzustellen. Dieses wiederum lässt sich anschließend chemisch in Isooktan umwandeln. Bio-Isooktan kann in jedem Verhältnis mit allen Standardtreibstoffen für Benzinmotoren gemischt werden. Derzeit werden die im Labor erzeugten E.coli-Stämme in einer kleinen Bioraffinerie-Anlage in Leuna im Pilotbetrieb eingesetzt. 100 Tonnen Zucker verwandeln die Zellfabriken hier in hochreines Isobuten. Der Automobilhersteller Audi testet den „e-Benzin“ genannten Biokraftstoff seit 2014 in seinen Fahrzeugen.

Algen und Cyanobakterien als Biosprit-Produzenten

Für die Biotreibstoff-Gewinnung rücken auch Algen und Cyanobakterien in den Blickpunkt. Der Vorteil dieser Mikroorganismen: Sie betreiben Photosynthese, können die Energie des Sonnenlichts nutzen und CO2 als Rohstoff verwerten. Darüber hinaus vermehren sie sich schnell und sind außerhalb landschaftlicher Nutzflächen in sogenannten Photobioreaktoren einsetzbar. Mikroalgen sind vor allem deshalb interessant, weil sie schon von Natur aus fette Öle in hohen Mengen produzieren. Diese lassen sich durch einen chemischen Prozess in flüssigen Treibstoff umwandeln, der vergleichbar mit Dieselkraftstoff ist. Cyanobakterien wiederum stellen energiereiche Zucker her, aus denen Ethanol gewonnen werden kann. Werden Algen oder Cyanobakterien als Biosprit-Produzenten eingesetzt, sprechen Experten von der dritten Generation an Biokraftstoffen.

In beiden Fällen arbeiten Forscher aus der Synthetischen Biologie daran, die Mikroorganismen in ihren Fähigkeiten zu optimieren beziehungsweise sie mit besonders effizienten Stoffwechselwegen auszustatten. So soll es gelingen, die jeweils produzierte Menge an Öl oder Zucker auf ein Maximum zu steigern.

In den USA gibt es etliche Biotech-Firmen, die sich auf Algen als Biosprit-Produzenten spezialisiert haben. Seit 2013 verkauft die US-Firma Solazyme Inc. Algenbiosprit an Tankstellen in Kalifornien – allerdings noch als Mix mit einem Anteil von 80 Prozent Diesel. Seit 2012 baut sie in Brasilien eine Algenfarm, wo optimierte Algenstämme zum Einsatz kommen. Spätestens im Jahr 2016 sollen hier rund 300.000 Tonnen Öl aus Algen produziert werden.

Kurz vor dem Bau einer kommerziellen Algenanlage steht die US-Firma Algenol, deren Forschungstochter in Berlin auch mit photosynthetischen Cyanobakterien experimentiert. Andere Unternehmen befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Hierzu gehört unter anderem die Firma Synthetic Genomics Inc., die 2005 von Craig Venter und Hamilton Smith – zwei Pionieren der Synthetischen Biologie  – gegründet wurde, um Erkenntnisse aus diesem Forschungsfeld für industrielle Anwendungen zu gewinnen. Seit 2009 kooperiert die Firma mit dem Ölkonzern Exxon, um Biosprit mit optimierten Algenstämmen zu erzeugen.

Algen als Grundlage für Biokerosin stehen beim „Algen Science Center“ des Forschungszentrums Jülich im Fokus. Seit der Eröffnung im Mai 2014 werden hier entsprechende Stämme für einen Einsatz in der Flugzeugindustrie optimiert. Über die Biokraftstoffinitiative Aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany) sind unter anderem das internationale Öl- und Gasunternehmen OMV und der Flugzeugbauer Airbus beteiligt. Seit 2011 setzt Aireg auf Kerosin aus Algen. Der Bedarf an flüssigen Treibstoffen ist im Luftverkehr besonders hoch, da andere Alternativen wie Elektromotoren oder Brennstoffzellen aus Gewichts- und Sicherheitsgründen nicht in Frage kommen. Inzwischen hat sich Kerosin aus Algenöl bereits in ersten Testflügen bewiesen.

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