Biobasierte Bausteine für die chemische Industrie

Mikroorganismen lassen sich mithilfe der Synthetischen Biologie zu lebenden Chemiefabriken umprogrammieren. Schon heute erzeugen sie aus Zucker und anderen pflanzlichen Substanzen Grundstoffe, die die chemische Industrie bisher aus Öl gewinnt, um daraus etwa Kunststoffe zu synthetisieren.

Bislang ist Erdöl der dominierende Rohstoff der chemischen Industrie. Mikroorganismen sind in der Lage, nachwachsende Rohstoffe wie pflanzliche Stärke zu verwerten und diese in chemische Grundstoffe, Zwischenprodukte oder auch hochwertige Endprodukte zu verwandeln. Mikroben bringen durch ihre Stoffwechselleistungen schon von Natur aus eine riesige Vielfalt an Molekülen hervor. Die Synthetische Biologie kann die Palette der Substanzen aus der Bioproduktion sogar noch erweitern, indem sie in den Zellen neue Stoffwechselpfade ergänzt. Bislang kommen beim Umprogrammieren von Zellen dabei insbesondere Methoden des Metabolic Engineering zum Einsatz (zu Zellen programmieren). Die biologische Chemieproduktion spart Energie und senkt zudem im Vergleich zu konventionellen Prozessen den CO2-Ausstoß. Biobasierte Chemikalien können aber nicht nur petrochemische Grundbausteine in der Industrie ersetzen. Sie führen vielfach auch zu innovativen Materialien mit neuartigen technischen Eigenschaften.

Mit Designer-Mikroben zur Teppichfaser

Biobasierte Synthesebausteine, sogenannte Bio-Monomere, können zu Polymeren verknüpft werden. Wenn es um die Herstellung von Kunststoffen geht, sind sie zunehmend gefragt. Ein Beispiel für den Einsatz von Synthetischer Biologie in der industriellen Produktion solcher Chemikalien ist die Herstellung von 1,3-Propandiol (PDO), ein Molekül aus drei Kohlenstoffatomen. Lange Zeit war diese Basischemikalie einzig über fossile Ressourcen zugänglich. Zusammen mit den Biotechnologie-Unternehmen Genencor International (USA) hat der Chemiekonzern DuPont das Bakterium Escherichia coli jedoch so umprogrammiert, dass es PDO in großen Mengen durch die Umsetzung von Zucker herstellt.

Von Natur aus erzeugt E.coli die Chemikalie nicht. Das Bakterium wurde deshalb zusätzlich mit Genen aus drei Mikroorganismen-Arten – darunter Hefe – ausgerüstet. Zudem wurde der Stoffwechsel durch genetische Veränderungen noch weiter auf Höchstleistung getrimmt. Aus Maisstärke gewonnene Glucose dient den Designer-Mikroben als Nahrung: Damit gefüttert produzieren sie direkt das gewünschte Bio-PDO und geben den Stoff in das Nährmedium ab (Nakamura & Whited, Current Opinion in Biotechnology 2003). Im US-Bundesstaat Tennessee betreibt DuPont eine Anlage für die biologische PDO-Produktion im Industriemaßstab.

Nach Angaben des Unternehmens ist der Energieaufwand für die Biosynthese der Substanz um 40 Prozent niedriger als für deren petrochemische Herstellung. Bio-PDO wird in der Kosmetik, bei Reinigungsmitteln aber auch bei Enteisungsmitteln eingesetzt. Eine wichtige Anwendung findet die Substanz auch in Kunstfasern, wie etwa in der Dupont-Faser mit dem Markennamen Sorona. Bei deren Herstellung wird PDO als Monomer mit dem petrochemisch gewonnenen Baustein Therephtalsäure (TPA) zu einem Co-Polymer verknüpft. Diese Kunststofffaser ist zu 37 Prozent biobasiert und besitzt sehr interessante Eigenschaften. So werden aus der robusten und trotzdem weichen Faser beispielsweise Teppiche geknüpft.

Sporttextilien und Autoteile auf biologischer Basis

Auch 1,4-Butandiol (BDO) ist für die chemische Industrie ein wichtiger Grundstoff. Sie stellt aus der Chemikalie Polymere wie PBT oder Lösemittel wie THF her. Daraus entstehen Verpackungen, Sporttextilien oder Bauteile für die Autoindustrie. Bislang wird BDO vorrangig aus Erdgas oder Erdöl gewonnen. Das in San Diego (USA) ansässige Biotechnologie-Unternehmen Genomatica hat einem in der industriellen Produktion bereits bewährten E.coli-Bakterium die Fähigkeit verliehen, diese nicht-natürliche Chemikalie auf direktem Weg enzymatisch zu synthetisieren (Yim; Nature Chemical Biology 2011). In weiteren Schritten haben die Biochemiker die Stoffwechselleistung der Bakterien für die Herstellung des BDO optimiert. Nach Angaben von Genomatica sinken die Produktionskosten im Vergleich zum petrochemischen Verfahren auf diese Weise um bis zu 30 Prozent. Durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe lässt sich zudem der CO2-Ausstoß massiv reduzieren. Mittlerweile haben mehrere große Chemiekonzerne von Genomatica die Rechte erworben, BDO in dem patentierten Bio-Prozess herzustellen. Zudem haben Chemiekonzerne wie DuPont, Novamont, die BASF und DSM bereits kommerzielle Produktionsanlagen errichtet.

Bio-Produzent für Bernsteinsäure aus dem Rindermagen

Bernsteinsäure ist ein weiteres Beispiel für ein Zwischenprodukt der chemischen Industrie, das auch als sogenannte Plattformchemikalie bezeichnet wird: Sie bildet den Ausgangsstoff für eine große Vielfalt an chemischen Endprodukten. Aus Bernsteinsäure lassen sich industriell bedeutende Grundchemikalien gewinnen, wiederum etwa der Synthesebaustein 1,4-Butandiol (BDO) oder Tetrahydrofuran (THF), aus denen Kunststoffe wie Polybutylensuccinat (PBS) oder Polyurethane synthetisiert werden. Petrochemisch hergestellte Bernsteinsäure ist allerdings für viele Anwendungen zu teuer. Deswegen hat die Industrie begonnen, nach Mikroorganismen zu suchen, die Zucker zu biobasierter Bernsteinsäure umsetzen können.

Forscher des Chemiekonzerns BASF wurden im Verdauungstrakt von Kühen fündig: Im Pansen eines Holstein-Rinds stießen sie 2008 erstmals auf ein Bakterium, das Bernsteinsäure erzeugt. Die Forscher gaben ihm den sinnfälligen Namen Basfia succiniciproducens: Bernsteinsäure heißt auch Succinylsäure. In Kooperation mit dem Institut für Systembiotechnologie der Universität des Saarlandes haben die Forscher die Stoffwechselleistungen der Mikrobe gründlich analysiert und die Leistungsfähigkeit durch genetische Veränderungen Schritt für Schritt optimiert.

Mit dem niederländischen Unternehmen Corbion Purac hat die BASF im Jahr 2009 ein Joint Venture namens Succinity gegründet. 2014 hat Succinity die erste kommerzielle Produktionsanlage in Montmeló, Spanien in Betrieb genommen, in der das Unternehmen durch Fermentation mithilfe von B. succiniciproducens jährlich 10.000 Tonnen an Bio-Bernsteinsäure aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. In einem weiteren europäischen Joint Venture zur Herstellung von Biobernsteinsäure arbeiten die niederländische DSM und die französische Roquette als Partner zusammen. Weitere aktive Chemieunternehmen in diesem Feld sind die kanadische Firma BioAmber und die US-amerikanische Firma Myriant. 2013 belief sich die Produktionskapazität von Biobernsteinsäure auf geschätzt 38.000 Jahrestonnen, was bereits knapp die Hälfte des Weltmarkts ausmacht. Das Wachstumspotenzial für Bio-Bernsteinsäure wird von Experten als hoch eingeschätzt.

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