Wertvolle Zutaten aus dem Fermenter

Von Kosmetik, Waschmittel bis zum Lebensmittelzusatz: Zellen, die mithilfe von Synthetischer Biologie zu biologischen Fabriken umgewandelt wurden, liefern auch für Produkte der Konsumgüterindustrie wertvolle Inhaltsstoffe.

Die Vielfalt an Inhaltsstoffen in der Konsumgüterindustrie ist so groß wie die der Produkte: Sie reichen von Aromen oder Duftstoffen bis hin zu Tensiden oder Süßstoffen. Viele dieser Substanzen werden inzwischen durch biologische Minifabriken im Fermenter im industriellen Maßstab produziert. Gezielte Umbaumaßnahmen in ihrem Stoffwechsel bringen Mikroorganismen dazu, aus Zucker als Ausgangsstoff chemische Substanzen herzustellen, die ansonsten nur aufwendig aus Pflanzen oder Tieren extrahiert oder mittels chemischer Synthese gewonnen werden können. Mikrobielle Zellfabriken können diese Stoffe in zuverlässigen Mengen und in gleichbleibender Qualität produzieren und stellen immer häufiger eine Alternative zu den bisherigen Verfahren dar.

Aromen und Duftstoffe aus der Zellfabrik

Duft- und Aromastoffe gehören zu den hochwertigen Fein- und Spezialchemikalien. Es handelt sich meist um komplexe organische Verbindungen, die in natürlichen Quellen nur in geringen Mengen vorkommen. Das US-Biotech-Unternehmen Gingko Bioworks – eine Ausgründung aus dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston – hat Bäckerhefezellen mithilfe der Synthetischen Biologie so programmiert, dass sie in der Lage sind, Duftstoffe – zum Beispiel solche, die nach Rosen riechen – zu produzieren. Damit beschreitet das Unternehmen einen neuen Weg, um an neue Duftstoffe zu gelangen. Bisher mussten hierfür Pflanzen gezüchtet und daraus entsprechende Ölextrakte gewonnen werden. Dies ist aufwendig, teuer und abhängig von der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen. Allein für die kleinste Flasche des Parfums Chanel Nr. 5 wird die Essenz aus 1.000 Rosen gebraucht. Ernten sind aber saisonalen Schwankungen unterworfen. Vor diesem Hintergrund hat der französische Dufthersteller Robertet aus Grasse mit Gingko Bioworks eine Kooperation vereinbart, um das biotechnische Verfahren auf der Basis von Hefe für den Markt zu etablieren.

Süßstoffe aus Hefe

Auch das Schweizer Biotech-Unternehmen Evolva setzt auf Methoden der Synthetischen Biologie, um Nahrungsinhaltsstoffe und Aromen in Hefezellen herzustellen. Damit werden natürliche Ressourcen gespart, die sonst bei der Produktion der Naturstoffe benötigt werden. Auf der Basis einer hauseigenen Technologieplattform Die Forscher des Unternehmens statten Hefestämme mit neuartigen biosynthetischen Stoffwechselwegen aus, um die gewünschten Substanzen zu erzeugen. Evolva kooperiert beispielsweise mit dem US-Unternehmen Cargill, um einzelne kalorienfreie Süßstoff-Komponenten (Steviol-Glycoside) aus der Süßpflanze Stevia raubadiana direkt mithilfe von programmierten Hefezellen herzustellen.

Mit International Flavors & Fragrances Inc. (IFF) arbeitet Evolva zudem zusammen, um aus Hefen den Geschmacksstoff Vanillin zu gewinnen. In bisherigen Verfahren wird die Substanz aus einer Orchidee sehr aufwendig und – für industrielle Verhältnisse – kostspielig gewonnen. Ein interessanter Inhaltsstoff für Cremes oder Shampoos – das Grapefruit-Aroma Nootkaton – lässt sich ebenfalls mithilfe von Mikroorganismen produzieren. Den Stoff wie bisher aus Zitrusfrüchten zu extrahieren, wäre dann nicht mehr nötig. Neben Evolva haben mittlerweile auch weitere Biotechnologie-Unternehmen Mikroorganismen zu Aromafabriken umfunktioniert.

Gesundes aus dem Bioreaktor

Zudem stellt Evolva auch den normalerweise in der Schale von roten Weintrauben und im japanischen Staudenknöterich vorkommenden Pflanzeninhaltsstoff Resveratrol her. Diesem Polyphenol wird eine Schutzwirkung gegen Krebszellen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgesagt. Auch hierzu programmierten Biochemiker den Stoffwechsel von Hefen so, dass die einzelligen Pilze das Polyphenol erzeugen können. Im Zuge des Bioprozesses entsteht ein weißes, geruchs- und geschmackloses Pulver, das sich als Inhaltsstoff für Lebensmittel eignet.

Reinigende Tenside aus Algenöl

Die belgische Firma Ecover – deren ökologische Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel in Ökoläden weltweit verkauft werden – entschied sich 2014 dafür, künftig in seinen Produkten waschaktive Tenside einzusetzen, die aus dem Öl von Mikroalgen gewonnen werden. Hersteller ist das kalifornische Biotechnologie-Unternehmen Solazyme: Das Öl der Algen soll das Palmöl ersetzen, aus dem die Tenside bishergewonnen werden. Einer der von Solazyme eingesetzten Produktionsorganismen ist Prototheca moriformis. Die Alge wächst nur im Dunkeln und wird im geschlossenen Fermenter kultiviert. Rohrzucker dient ihnen als Nahrungsquelle. Ecover will bewusst auf das Alternativ-Öl setzen, um der Abholzung des Regenwaldes für Palmölplantagen entgegenzutreten. Dank der fermentativen Herstellung, würden weniger natürlichen Ressourcen verbraucht, so das Unternehmen.

Gleichwohl wurde die Firma für ihren Schritt von Seiten verschiedener Umweltorganisationen kritisiert. Diese bezeichnen derartige Produkte als „extreme Gentechnik“ und lehnen sie konsequent ab. Die Kritiker, darunter die kanadische ETC Group, formulierten auch Sicherheitsbedenken und stellten den Rohstoff Rohrzucker infrage, weil auch für dessen Anbau oft Regenwald gerodet wird. Ecover stellt sich offensiv dieser Diskussion und betont, es suche Lieferanten von Rohrzucker. Für dessen Anbau kein Regenwald weichen musste. Zudem habe bei den Algen kein tiefgreifender gentechnischer Umbau – etwa durch das Einfügen komplett neuer Stoffwechselwege – stattgefunden. Vielmehr trimmten die Forscher des Unternehmens die Stämme auf die industrielle Produktion von Öl, indem sie relativ einfache genetische Optimierungen an den Mikroorganismen vornähmen. Bislang ist noch nicht abschließend über die weitere Vorgehensweise bei Ecover entschieden.

Hin zu Holz als Rohstoff

In den genannten Beispielen dient meist Zucker als Futter für die umprogrammierten Mikroorganismen. Das Problem: Rohr- oder Rübenzucker sind ein wichtiger Bestandteil der Wertschöpfungskette in der Lebensmittelindustrie. Vor diesem Hintergrund stellen biotechnische Herstellungsverfahren, die diesen Rohstoff benötigen, eine Konkurrenz dar, die vielfach kritisiert wird. Deshalb gibt es in der biotechnologischen Forschung inzwischen einen Trend hin zu Ausgangsstoffen wie Methanol für die mikrobielle Produktion von Fein- und Spezialchemikalien. Methanol kann aus Holz als nachwachsendem Rohstoff erzeugt werden und würde die Umweltbilanz der Verfahren verbessern. So haben Forscher vom Dechema-Forschungsinstitut (DFI) in Frankfurt am Main bereits den Organismus Methylobacterium extorquens zu einem effizienten Produzenten von Terpenen umfunktioniert, die teilweise auch als Riech- und Aromastoffe Verwendung finden können.

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